Last Updated on 8. Juli 2022

Londons ältestes Kirche ist St Bartholomew the Great in Smithfield. Ein düsterer, massiver Bau. Gegründet von einem ehemaligen Hofnarren. Mit einer goldenen Statue von Damien Hirst und einer jahrhundertelangen Geschichte. Wie die Zeit Einfluss auf die Kirche genommen hat und welche Besonderheiten es hier zu entdecken gibt, das erfährst du in diesem Post.

St Bartholomew the Great in Smithfield

Wenige Minuten von den Stationen Barbican oder Farringdon gelegen findest du die älteste durchgängig genutzte Kirche Londons. Bereits seit 1123 ist hier ein Ort des Glaubens, der im Laufe der Jahre viele Veränderungen miterlebt hat.

Die Geschichte der Kirche

Dass es die Kirche und das angeschlossene Krankenhaus überhaupt gibt, ist Rahere, dem ehemaligen Hofnarren von Henry I zu verdanken.

Nach mehreren Schicksalsschlägen, u.a. dem Tod der Königsgemahlin Matila, dem Thronerben sowie engen Familienangehörigen, beschloss Rahere ein ehrbareres und gottesfürchtigeres Leben zu führen. Er trat eine Pilgerreise nach Rom an, wo er jedoch so schwer erkrankte, dass er um sein Leben fürchtete.

Er betete für seine Genesung und schwor, dass er – sollte er überleben – ein Krankenhaus für die Armen in London errichten würde. Das Wunder geschah, Rahere wurde wieder gesund und auf dem Heimweg nach London erschien ihm der heilige Bartholomäus in einer Vision. Er richtete die folgenden Worten an Rahere: “I am Bartholomew who have come to help thee in thy straights. I have chosen a spot in a suburb of London at Smithfield where, in my name, thou shalt found a church” (auf deutsch: Ich bin Bartholomäus, der gekommen ist, um dir in deiner Not zu helfen. Ich habe einen Ort in einem Vorort von London in Smithfield gewählt, wo du in meinem Namen eine Kirche gründen sollst.).

Zurück in London hielt der sein Wort und errichtete eine Klosterkirche samt Krankenhaus in Smithfield. Die Eröffnung fand im März 1123 statt. Er selbst arbeitete mehrere Jahre als Leiter des Krankenhauses und als Prior des Priorats. Es ist denkbar, dass er vor seinem Tod im Krankenhaus gepflegt wurde.

Rahere starb 1143 und wurde in der Kirche beerdigt. Sein aufwändiges Grab kannst du heute noch dort sehen.

1539 wurde das Kirchenschiff abgerissen, als Henry VIII die Klöster auflöste. Die verbleibenden Reste der Kirche wurden jedoch erhalten und über die Jahre weiter als Kirche genutzt.

Das Große Feuer von 1666 zwar kam vor den Mauern der Krankenhauses zum Erliegen, dennoch stand man kurz danach vor dem Bankrott. Einnahmen durch verlorene, da verbrannte Immobilien und unbezahlte Behandlungen der vielen Verwundeten der Dutch Wars waren eine große Herausforderung.

Doch der Wiederaufbau gelang und das Krankenhaus wuchs.

Im Ersten Weltkrieg wurden im Ostflügel über 5000 kranke Soldaten versorgt, 1947 wurden die ersten weiblichen Medizinstudentinnen aufgenommen, das Krankenhaus entwickelte sich weiter als eins der führenden Krankenhäuser in der Behandlung von Krebs.

Heute ist im Nordflügel immer noch das massive Archiv mit Aufzeichnungen und Dokumenten aus 900 Jahren Geschichte untergebracht, die historischen Bereiche können an ausgewählten Tagen besichtigt werden. Die ehemalige Krankenhauskirche St Bartholomew-the-Less ist heute mit St Bartholomew the Great zusammengeschlossen.

Trotz der vielen Menschen, die sich im Laufe der Jahre für das Krankenhaus und die Kirche verdient gemacht haben, gedenkt man immer noch dem Gründer. Im jährlich stattfindenden View Day wird eine Rose auf Raheres Grab gelegt, während eine Prozession über das Gelände schreitet und der Lord Mayor of the City die Mitarbeiter des Krankenhauses besucht und die Arbeiten des Krankenhauses des letzten Jahres gewürdigt werden. Auf YouTube gibt es ein Video, das die Geschichte des Tages und was genau passiert, gut zusammenfasst. Sucht mal nach “A History of View Day at St Bartholomew’s Hospital, London”.

Besonderheiten von St Barts

Wenn du die Kirche besuchst – das geht sowohl für die Teilnahme an einem Gottesdienst als auch ohne – dann solltest du dir die folgenden Dinge nicht entgehen lassen, die es nur hier zu sehen gibt.

Das Tudor Eingangstor

Das prächtige Eingangstor, durch das du heute zur Kirche gelangst, steht da, wo sich früher Teile des Kirchenschiffes befanden. Doch das wurde durch Henry VIII abgerissen (mehr Details zur Geschichte weiter oben im Text).

1595 baute der Anwohner William Scudamore ein zweistöckiges Wohnhaus samt Dachgeschoss auf den Überresten des Kirchenschiffes. Ein gut gewählter Ort, denn das Gebäude wurde durch die dicken Klostermauern vor der Zerstörung des Großen Feuers von 1666 bewahrt.

Im 18. Jahrhundert wurde die Tudor Fassade dann aber mit georgianischen Fassade überzogen und das Gebäude als Geschäft benutzt. Die darunterliegende Struktur wurde erst durch einen Zufall im Ersten Weltkrieg wiederentdeckt. 1917 zerstörte eine Bombe die Fassade und legte die dunklen Holzbalken aus 1595 wieder frei.

Die Kollegen von Historic UK haben einen umfangreichen Post über das Gatehouse, den du hier lesen kannst.

Das Grab des Gründers Rahere

Rahere hat die Kirche und das Krankenhaus errichten lassen und dem heiligen Bartholomew gewidmet, weil der ihm nach einer schweren Erkrankung als Vision erschien und ihm den heutigen Standort mitteilte.

Sein Grab befindet sich in der St Barts Kirche. Es ist aufwändig dekoriert und bemalt, Rahere wird in Mönchskutte und gefalteten Händen dargestellt.

Rahere spukt in der Kirche

Als das Grab von Rahere im 19. Jahrhundert repariert werden musste, kam es zu einem Zwischenfall, bei dem ein Fuß inkl. Sandale gestohlen wurde. Der Schuh wurde zwar zurückgegeben, der Fuß jedoch nicht. Seit dem Vorfall wird der Geist von Rahere jährlich am ersten Juli um 7 Uhr morgens aus der Sakristei kommend in der Kirche gesehen. Ob er die verlorene Sandale sucht?

Das Oriel Window

Das auffällige Erkerfenster ist der letzte verbleibende Überreste einer Unterkunft, die der vorletzte Prior von St Barts, William Bolton, errichtete. Von hier konnten er und sein Hausstand den Gottesdiensten bequem von zu Hause aus folgen.

Das Taufbecken von William Hogarth

Das steinerne Taufbecken stammt aus 1405 und man glaubt, dass es eins von nur noch zwei erhaltenen Pre-Reformations-Taufbecken in ganz London ist. Das andere steht in St Dunstan’s in Stepney.

Abgesehen von seinem Alter bietet das Taufbecken noch eine weitere Besonderheit, denn in ihm wurde am 10. November 1697 William Hogarth getauft. Vielleicht kennst du dessen Zeichnungen “Gin Lane” oder “Beer Street”.

Auch heute noch ist das Taufbecken im Einsatz.

Der weinende Philosoph

1652 wurde das Marmordenkmal zu Ehren des Philosophen Edward Cooke errichtet. Schnell wurde es als “weeping statue” (weinende Statue) berühmt, da immer wieder Tränen am Denkmal herunterrollten. Doch woher kamen die wundersamen Tränen? Aus heutiger Sicht ist das “Wunder” schnell erklärt. Der weiche Marmor sammelte die Feuchtigkeit der Umgebung und gab sie als “Tränen” wieder ab.

Als zu viktorianischen Zeiten eine Heizung nahe der Statue installiert wurde, war es auch mit den Wundertränen vorbei.

Benjamin Franklin in der Lady Chapel

Benjamin Franklin (genau, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika) verbrachte mehrere Aufenthalte in London. Erstmals kam er im November 1724 in die Stadt. Damals sollte er sich eine eigene Druckerei aufbauen und Kontakte zu ansässigen Druckern und Papierherstellern herstellen. Als er jedoch in London ankam, kam das zugesagte Startkapital nie bei ihm an und er war quasi mittellos in London gestrandet.

Auf der Suche nach einem Job fand er eine Anstellung als Schriftsetzer in einer Druckerei. Die befand sich in der ehemaligen Lady Chapel von St Bartholomew the Great. Durch die Reformation war das große Kloster aufgelöst, die Lady Chapel in ein Privathaus samt Shop umgewandelt worden. Dort befand sich die Druckerei, in der Franklin einen Job fand.

Erst 1885 wurde der Teil von der Kirche zurückgekauft, ab 1897 stand die Kapelle wieder für Gottesdienste zur Verfügung.

Damien Hirst Statue “Exquisite Pain”

Bartholomew (Bartholomäus) war einer der 12 Jünger Jesus, der als Apostel nach Armenien geschickt wurde. Dort wurde er bei lebendigem Leibe gehäutet und starb. Die aufrecht stehende, goldene Statue von Damien Hirst zeigt Bartholomew in genau diesem Zustand. Nackt, die Muskeln sichtbar, die abgezogene Haut hängt fast wie ein Mantel über dem rechten erhobenen Arm. In der rechten Hand hält er ein Skalpell, das Instrument seines Todes, das aber auch die Brücke zum nahe gelegenen Krankenhaus schlägt.

Die Statue stammt aus 2006 und ist eine Dauerleihgabe des Künstlers an die Kirche.

Gedenkgottesdienst für William Wallace

Am 23. August 2005 wurde anlässlich des 700-jährigen Jahrestages der Hinrichtung von Sir William Wallace in den nahegelegenen Smithfield Elms ein Gedenkgottesdienst in St Barts gehalten. Tausende Anhänger versammelten sich in der Kirche, nachdem sie von der Westminster Hall zum (nahe der Kirche gelegenen) Memorial gelaufen waren. Heute erinnert eine goldene Gedenktafel an dieses Event.

St Bartholomew im Film

Die Kirche war schon Drehort für mehrere Filme. Vielleicht kennst du “Four weddings and a funeral” (die vierte Hochzeit wurde hier abgehalten). Oder du hast “Transformers, the last knight” gesehen? Auch in Taboo mit Tom Hardy spielt die Kirche mit.

Nützliches für deinen Besuch

  • Aktuelle Informationen und Events findest du auf der Webseite von Great St Barts.
  • Die Kirche ist für Besucher von Montag bis Samstag von 10 bis 17 Uhr, am Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
  • Der Eintritt ist kostenlos, Spenden sind jedoch sehr willkommen.
  • In 2023 feiert St Barts das 900 jährige Bestehen. Das wird mit der “Barts900 Campaign” gefeiert, die versucht 10 Millionen £ zu sammeln, um aufwändig zu restaurieren und die Kirche für die nächsten Jahre fit zu machen. Wenn du die Initiative finanziell unterstützen willst, kannst du auf der Webseite von GreatBarts900 alle Infos finden.

Ich hoffe, dass diese Einblicke Inspiration genug sind, damit du dir diesen wunderbaren und einzigartigen Ort selber anschaust. Berichte gerne, wie es dir gefallen hat.